Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Weder ganz sich, noch ganz den Andern angehören:

denn Beides ist eine niederträchtige Tyrannei. Daraus, daß Einer sich ganz für sich allein besitzen will, folgt alsbald, daß er auch alle Dinge für sich haben will. Solche Leute wollen nicht in der geringsten Sache nachgeben, noch das Mindeste von ihrer Bequemlichkeit opfern. Sie sind nicht verbindlich, sondern verlassen sich auf ihre Glücksumstände, welche Stütze jedoch unter ihnen zu brechen pflegt. Man muß bisweilen auch den Andern angehören, damit sie wieder uns angehören. Wer aber ein öffentliches Amt hat, muß der öffentliche Sklave seyn; oder lege die Würde mit der Bürde nieder, würde die Alte des Hadrian sagen. welche bekanntlich dem Kaiser, als er sie mit »ich habe keine Zeit« abwies, zurief: »so sei kein Kaiser!« Im Gegentheil giebt es auch Leute, welche ganz den Andern angehören: denn die Thorheit geht stets ins Uebertriebene, hier aber ans eine unglückliche Art. Diese haben keinen Tag und keine Stunde für sich, sondern gehören in solchem Uebermaaß den Andern an, daß Einer schon der Diener Aller genannt wurde. Dies erstreckt sich sogar auf den Verstand, indem sie für Alle wissen und bloß für sich unwissend sind. Der Aufmerksame begreife, daß Keiner ihn sucht; sondern Jeder seinen Vortheil in ihm, oder durch ihn.

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