Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Sich Liebe und Wohlwollen erwerben:

denn sogar die erste und oberste Ursache läßt solche in ihre hohen Absichten eingehn und ordnet sie an. Mittelst des Wohlwollens erlangt man die günstige Meinung. Einige verlassen sich so sehr auf ihren Werth, daß sie die Erwerbung der Gunst verschmähen. Allein der Erfahrene weiß, daß der Weg der Verdienste allein, ohne Hülfe der Gunst, ein gar sehr langer ist. Alles erleichtert und ergänzt das Wohlwollen: nicht immer setzt es die guten Eigenschaften, wie Muth, Redlichkeit, Gelehrsamkeit, sogar Klugheit, voraus; nein, es nimmt sie ohne Weiteres als vorhanden an: hingegen die garstigen Fehler sieht es nie, weil es sie nicht sehn will. Es entsteht aus der Übereinstimmung, und zwar gewöhnlich aus der materiellen, dergleichen die der Sinnesart, der Nation, der Verwandtschaft, des Vaterlandes und des Amtes ist: die formelle ist höherer Art, sie ist die der Talente, der Verbindlichkeiten, des Ruhms, der Verdienste. Die ganze Schwierigkeit besteht im Erwerben des Wohlwollens; es zu erhalten ist leicht. Es läßt sich aber erlangen, und man wisse es zu nutzen.

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