Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Zu prunken verstehn

Es ist die Glanzbeleuchtung der Talente: für jedes derselben kommt eine günstige Zeit: die benutze man, denn nicht jeder Tag wird der des Triumphs seyn. Es giebt Prachtmenschen, in welchen schon das Geringe sehr, das Bedeutende zum Erstaunen glänzt. Gesellt sich zu ausgezeichneten Gaben die Fähigkeit damit zu prunken; so erlangen sie den Ruf eines Wunders. Es giebt prunkende Nationen, und die Spanische ist es im höchsten Grad. Erst das Licht ließ die Pracht der Schöpfung hervortreten. Das Prunken füllt Vieles aus, ersetzt Vieles und giebt Allem ein zweites Daseyn, zumal wenn es sich auf wirklichen Gehalt stützt. Der Himmel, welcher die Vollkommenheiten verleiht, versieht sie auch mit dem Hange zu prunken: denn jedes von beiden allein würde unpassend seyn. Es gehört Kunst zum Prunken. Sogar das Vortrefflichste hängt von Umständen ab und hat nicht immer seinen Tag. Das Prunken geräth schlecht, wenn es zur Unzeit kommt: mehr als jeder andre Vorzug muß es frei von Affektation seyn, an welchem Uebelstande es allemal scheitert, weil es nahe an die Eitelkeit gränzt und diese an das Verächtliche: es muß sehr gemäßigt seyn, damit es nicht gemein werde, und sein Uebermaaß steht bei den Klugen schlecht angeschrieben. Bisweilen besteht es mehr in einer stummen Beredsamkeit, indem man gleichsam nur aus Nachlässigkeit seine Vollkommenheiten zum Vorschein kommen läßt: denn das kluge Verhehlen derselben ist das wirksamste Paradiren damit, da man eben durch solches Entziehn die Neugier am lebhaftesten anreizt. Sehr geschickt auch ist es, nicht die ganze Vollkommenheit mit einem Male aufzudecken, sondern nur einzelne Proben davon verstohlnen Blicken preiszugeben und dann immer mehr. Jede glänzende Leistung muß das Unterpfand einer größern seyn und im Beifall der ersten schon die Erwartung der folgenden liegen.

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