Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Gutes zu erzeigen verstehn:

wenig auf ein Mal, hingegen oft. Nie muß man dem Andern so große Verbindlichkeiten auflegen, daß es unmöglich wäre, ihnen nachzukommen. Wer sehr Vieles giebt, giebt nicht, sondern verkauft. Auch soll man nicht die vollständigste Erkenntlichkeit verlangen: denn wenn der Andre sieht, daß sie seine Kräfte übersteigt, wird er den Umgang abbrechen. Bei Vielen ist, um sie zu verlieren, nichts weiter nöthig, als sie übermäßig zu verpflichten: um ihre Schuld nicht abzutragen, ziehn sie sich zurück, und werden aus Verpflichteten Feinde. Der Götze möchte nie den Bildhauer, der ihn gemacht hat, vor sich sehn; und eben so ungern hat der Verpflichtete seinen Wohlthäter vor Augen. Eine große Feinheit beim Geben besteht darin, daß es wenig koste und doch sehr ersehnt sei, wodurch es hoch angeschlagen wird.

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