Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Den fremden Geschmack nicht verfehlen:

sonst macht man ihm, statt eines Vergnügens, einen Verdruß. Einige erregen, indem sie eine Verbindlichkeit erzeigen wollen, Mißfallen, weil sie die verschiedenen Sinnesarten nicht begreifen. Manches ist dem Einen eine Schmeichelei, dem Andern eine Kränkung; und Manches was eine Artigkeit seyn sollte, war eine Beleidigung. Oft hat es mehr gekostet, Jemandem Mißvergnügen zu bereiten, als es gekostet haben würde, ihm Vergnügen zu machen: man verliert alsdann den Dank und das Geschenk, weil man den Leitstern zum fremden Wohlgefallen verloren hatte. Wer den Sinn des Andern nicht kennt, wird ihn schwerlich befriedigen. Daher auch kam es, daß Mancher ein Lob zu äußern vermeinte und einen Tadel aussprach, zu seiner wohlverdienten Strafe. Andre wieder glauben durch ihre Beredsamkeit zu unterhalten, und martern den Geist durch ihre Geschwätzigkeit.

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