Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

— 177 —

Den vertraulichen Fuß im Umgang ablehnen

Weder sich, noch Andern darf man ihn erlauben. Wer sich auf einen vertraulichen Fuß setzt, verliert sogleich die Ueberlegenheit, welche seine Untadelhaftigkeit ihm gab, und in Folge davon auch die Hochachtung. Die Gestirne, weil sie mit uns sich nicht gemein machen, erhalten sich in ihrem Glanz. Das Göttliche gebietet Ehrfurcht. Jede Leutseligkeit bahnt den Weg zur Geringschätzung. Es ist mit den menschlichen Dingen so, daß, je mehr man sie besitzt und hält, desto weniger hält man von ihnen: denn die offene Mittheilung legt die Unvollkommenheit offen dar, welche die Behutsamkeit bedeckte. Mit Niemandem ist es räthlich sich auf einen vertrauten Fuß zu setzen, nicht mit Höhern, weil es gefährlich, nicht mit Geringern, weil es unschicklich ist, am wenigsten aber mit gemeinen Leuten, weil sie aus Dummheit verwegen sind, und die Gunst, welche man ihnen erzeigt, verkennend, solche für Schuldigkeit halten. Die große Leutseligkeit ist der Gemeinheit verwandt.

Info Impressum Start