Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

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Sich nicht mit dem einlassen, der nichts zu verlieren hat

Denn dadurch geht man einen ungleichen Kampf ein. Der Andre tritt sorglos auf: denn er hat sogar die Schaam verloren, ist mit Allem fertig geworden und hat weiter nichts zu verlieren. Daher wirft er sich zu jeder Ungebührlichkeit auf. So schrecklicher Gefahr darf man nie seinen unschätzbaren Ruf aussetzen, der so viele Jahre zu erwerben gekostet hat und jetzt in Einem Augenblick verloren gehen kann, indem ein einziger schmählicher Unfall so vielen heißen Schweiß vergeblich machen würde. Der Mann von Pflicht- und Ehr-Gefühl nimmt Anstand, weil er viel zu verlieren hat: er zieht sein Ansehn und dann das des Andern in Erwägung: nur mit Behutsamkeit läßt er sich ein und geht dann mit solcher Zurückhaltung zu Werke, daß die Vorsicht Raum behält, sich zu rechter Zeit zurückzuziehn und sein Ansehn in Sicherheit zu bringen. Denn nicht einmal durch einen glücklichen Ausgang würde er das gewinnen, was er schon dadurch verloren hätte, daß er sich einem unglücklichen aussetzte.

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