Baltasar Gracian

Handorakel und
Kunst der Weltklugheit

— 163 —

Nie, aus Mitleid gegen den Unglücklichen, sein Schicksal auch sich zuziehen

Was für den Einen ein Mißgeschick, ist oft für den Andern die glücklichste Begebenheit: denn Keiner könnte beglückt seyn, wenn nicht viele Andre unglücklich wären. Es ist den Unglücklichen eigenthümlich, daß sie leicht den guten Willen der Leute erlangen, indem diese durch ihre unnütze Gunst die Schläge des Schicksals ausgleichen möchten: und bisweilen sah man den, welcher auf dem Gipfel des Glücks Allen ein Abscheu war, im Unglück von Allen bemitleidet: die Rachgier gegen den Erhobenen hatte sich in Theilnahme für den Gefallenen verwandelt. Jedoch der Kluge merke auf, wie das Schicksal die Karten mischt. Leute giebt es, die man stets nur mit Unglücklichen gehn sieht, und der, den sie als einen Beglückten gestern flohen, steht heute als ein Unglücklicher an ihrer Seite. Das zeugt bisweilen von einem edeln Gemüth, jedoch nicht von Klugheit.

Info Impressum Start